Weißt du noch, wie es damals war? Als die meisten Webseiten noch öden Orten glichen, auf die man oft nur durch Zufall stieß — arglos zusammengezimmerte Codegeflechte, die irgendwo in der digitalen Wildnis darauf warteten, sich ruckartig auf flimmernden Bildschirmen zusammenzusetzen, Pixel für Pixel für Pixel.
Weit vor der atemlosen Hast des Ständig Neuen, dem automatischen Nachladen nimmer-endender Signale, als Webseiten noch nicht hochgezüchtete Inhaltsverwaltungssysteme waren, sondern bloß notdürftig errichtete Inseln in einem binären Niemandsland, welches dann und wann einzelne Besucher an Land spülte, die unbeobachtet kamen und gingen, und manchmal Spuren hinterließen in den wohlwollend betitelten “Gästebüchern”, einer Mischung aus Toilettenwandpoesie und der Zettelwirtschaft von Klagemauern.
Als das Netz noch nicht überspült war von der ewigen Flut fliehender Reminiszenzen und träger Alltagsprosa. Als man noch nicht in Echtzeit dokumentierte, sondern dank der endlosen Langsamkeit von Modulation/Demodulation neue Informationen nur gestaffelt in den zähen Datenstrom schaufeln konnte.
Als die große Gebetsmühle Google sich nur sporadisch drehte, bevor die pausenlose Rotation neuer Abfragen so selbstverständlich schien und schließlich unbewusst wurde, wie der tägliche Taumel unseres Erdenballs.
Ein Beklagen des Verlustes digitaler Ödnis mag der Einheimischen Brut so unverständlich erscheinen, wie den ersten Netz-Neanderthaler heutige Bandbreiten in Schrecken versetzt hätten.
Und vielleicht geht es gar nicht darum, unter dem Strich erhobener Zeigefinger Bilanz zu ziehen. Vielleicht ist es eher daran, ab und zu einen Blick zurück zu werfen, um der Atemlosigkeit den Stachel zu nehmen und uns zu versichern, dass die Hotelburgen, Neonlichter und Werbetafeln des Silikontals unser Inseldasein nicht aufgehoben haben, sondern nur übertünchen mit grellem Lärm.
Denn am Ende sind wir es, die die Brücken schlagen müssen — und kein noch so stromlinienförmiger Code wird dies Allzumenschliche in uns je bezwingen, welches selbst unter Millionen immer Monade bleibt.